Ganz und gar nicht faul: Honigbienen-Drohnen
„Wann immer Menschen der Meinung sind, etwas sei uninteressant, dann möchte ich exakt da genauer hinsehen: einfach, weil man vielleicht der Erste ist, der etwas entdeckt." Das ist das Arbeitsmotto von Michael L. Smith, Mitglied des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten, sowie Professor an der Auburn University (USA). Deshalb schlug er der damaligen Bachelor-Studentin Louisa Neubauer vor, die Drohnen, also die männlichen für die Reproduktion verantwortlichen Tiere in Bienenvölkern, genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Ergebnisse waren so überraschend, dass sie vor Kurzem in der Zeitschrift Animal Behaviour veröffentlicht wurden.
Drohnen spielen eine entscheidende Rolle für den Fortpflanzungserfolg der Kolonie. Die Drohnen verlassen den Bienenstock lediglich für Paarungsflüge, mit dem Ziel sich mit einer unbefruchteten Königin zu paaren. Ansonsten verbringen die Drohnen ihr Leben im Bienenstock als Teil der Kolonie. Daher galten sie bislang als ‘faul und langweilig. „Jedoch war nicht klar, wie sich Drohnen im Bienenstock verhalten und wie sie sich in das übrige Bienenvolk integrieren“, sagt Louisa Neubauer, die jetzt an der Universität Bern promoviert.
© Michael L SmithEinige Drohnen erhielten einen kleinen Code auf den Thorax, der Information zur individuellen Erkennung sowie Orientierung erfasst. Mit dem BeesBook, einem Ortungssystem, konnte das Forscherteam die Bewegung und Position jeder einzelnen markierten Drohne während deren gesamten Lebens verfolgen, indem sie die Kodierung der Tags entschlüsselten.
„Wir hatten bereits Arbeitsbienen mit kleinen Markern versehen und beobachtet, also schien es ein einfacher und naheliegender Schritt zu sein, auch einige der Drohnen zu markieren", sagt Smith. So wurden individuell markierte Drohnen in ein Bienenvolk eingeführt, das in einem verglasten Beobachtungsstock lebte. Einige Drohnen erhielten einen kleinen Code auf den Thorax, der Information zur individuellen Erkennung sowie Orientierung erfasst. Mit dem BeesBook, einem von Tim Landgrafs Arbeitsgruppe an der Freien Universität Berlin entwickelten Ortungssystem, konnte Neubauer die Bewegung und Position jeder einzelnen markierten Drohne während deren gesamten Lebens verfolgen, indem sie die Kodierung der Tags entschlüsselten. Es gab eine handfeste Überraschung: „Diese 'faulen' Drohnen sind zeitweise die aktivsten Individuen in der gesamten Kolonie“, sagt Neubauer.
© Ben KogerEinzelne Honigbienen sind mit Markern auf dem Thorax und Farbmarkierungen (um ihr Alter zu markieren) auf dem Bauch gekennzeichnet.
Synchronisierte Perioden der Hyperaktivität
Für Neubauer war es spannend zu beobachten, dass Drohnen – neben ihrer bekannten Faulheit oder Unbeweglichkeit – synchronisierte Hyperaktivitätsperioden haben, in denen sie die schnellsten Individuen im Bienenvolk sind. Das Forschungsteam fand heraus, dass diese Hyperaktivität während der Flugphase der Drohnen auftritt, und dass die Phasen und die Synchronisierung sowohl von externen Faktoren als auch vom Austausch sozialer Informationen beeinflusst werden. „Insgesamt sind diese Ergebnisse erstaunlich, denn sie zeigen, wie Drohnen ihr Verhalten an ihre Aufgabe anpassen, indem sie ihren Energieverbrauch auf ein bestimmtes Aktivitätsfenster beschränken“, erklärt Neubauer.
Bislang war in der Forschung bekannt, dass Drohnen den Zeitpunkt ihrer Paarungsflüge vom Wetter abhängig machen. „Aber wenn man sich das Innere der Kolonie genauer ansieht, sind die Anfangs- und Endzeiten ihrer hyperaktiven Periode stärker synchronisiert, als wir es allein aufgrund des Wetters erwarten würden“, sagt Jacob Davidson, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und assoziiertes Mitglied des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten. „Das deutet darauf hin, dass die Drohnen miteinander kommunizieren, um eine synchronisierte kollektive Entscheidung zu treffen, wann sie das Nest verlassen.“ Wie genau diese Kommunikation zwischen den Drohnen im Nest abläuft, ist ein Thema für zukünftige Forschungen.
„Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Drohnen ihr Verhalten im Bienenstock an ihre Aufgabe als männliche Keimzellen der Kolonie anpassen. Zunächst einmal begrenzen die Drohnen ihren Energieverbrauch, indem sie ihre Aktivität auf eine bestimmte Tageszeit beschränken, nämlich auf die Zeit der Paarungsflüge, während sie den Rest des Tages relativ unbeweglich bleiben. Zweitens halten sich die Drohnen im Nest entsprechend ihrer Entwicklungsphase auf, sodass sie die Arbeit der anderen Bienen nicht stören.“
Louisa Neubauer
Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich Drohnen an ihre Aufgabe anpassen und trotz ihrer Faulheit einen Beitrag zum Bienenvolk leisten, indem sie den Energieverbrauch senken. Außerdem zeigen sie, dass sich Drohnen in das Bienenvolk integrieren und ihr Verhalten anpassen, um den Erfolg des Volkes zu maximieren.