„Ja Chef, wird gemacht!“ – Wenn Blaumann auf Bühnenlicht trifft

Die Bühne: minimalistisch und voller Symbolkraft. Herzstück ist ein „Fahrstuhl“, der die Ebenen des Stücks wortwörtlich miteinander verbindet – von der „Chefetage“ mit Alpenblick bis hinunter in den „Kabuff“ der Hausmeister. Auch die Kostüme sprechen eine deutliche Sprache: Obere Etage im roten Kostüm, untere Etage im Blaumann. Alles klar geregelt – oder etwa doch nicht?
Denn was oberflächlich als satirischer Schlagabtausch zwischen Büro und Keller beginnt, entwickelt sich zu einem überraschend warmherzigen Blick auf Teamdynamik und Selbstfindung. Regisseur Lion Weidner schöpft aus eigener Erfahrung: Nach der Schule hat er ein Jahr als Hausmeister gearbeitet, und das Regieteam – bestehend aus Lion Weidner und Sarah Aust (Co-Regie) – verarbeitet diese Erinnerungen in einem Stück, das zwischen Dialogwitz und Situationskomik changiert.
Coming-of-Age-Azubi
Im Zentrum von „Ja Chef, wird gemacht!“ steht Fynn, junge 19 Jahre alt und mit dem Traum, einmal Punkmusiker in Berlin zu werden. Wir sehen ihn, wie er allerdings – statt die große Musikkarierre zu verfolgen – gedrängt von Mama eine Ausbildung zum Hausmeister beginnt. Gespielt von Vivienne Bennett mit viel Feingefühl für die Unsicherheiten des Erwachsenwerdens, durchläuft Fynn Höhen, Tiefen und unzählige To-Do-Listen. Mit jedem kaputten Bürostuhl und jeder zu entlüftenden Heizung wächst Fynn nicht nur langsam ins Team hinein, sondern beginnt auch, seine eigene Rolle darin zu hinterfragen. Als ihn sein „work bestie“ Magda am Ende des Stücks fragt, warum er eigentlich im Hausmeisterteam geblieben ist, antwortet er schlicht: „Weil immer irgendwas kaputtgeht.“ Fynn ist klargeworden: Gerade dort, wo Dinge nicht perfekt sind, findet man oft den Platz, an dem man wirklich gebraucht wird.
© Unitheater KonstanzReinigungskraft Magda (links: Anna Kamilla Verebély) mit Hausmeister-Azubi Fynn (rechts: Vivienne Bennett)
Blaumann-Buddies
Besonders gelungen ist die Idee, das Stück aus verschiedenen Perspektiven erzählen zu lassen: Azubi Fynn, die Reinigungskraft Magda und später im Stück Hausmeister Tobi führen als Erzählerstimmen durch die Handlung und kommentieren mit feinem Witz das Geschehen. Dabei ist die Entwicklung von Protagonist Fynn eng verknüpft mit dem Team, das ihn umgibt – einem liebevoll gezeichneten Mikrokosmos aus den unterschiedlichsten Eigenheiten und echtem Zusammenhalt:
Unterstützt wird Fynn auf seinem Weg zum „echten“ Kollegen von Magda, gespielt von Anna Kamilla Verebély. Ihre Figur ist das Rückgrat des Hauses – pragmatisch, zynisch, klatschfreudig und voller Haltung. Die legendären Raucherpausen mit Fynn sind wie kleine Atempausen im Stück, ein Moment der Reflextion über das Geschehen und die Möglichkeit für Fynn in der Rückschau zu verstehen, wer er geworden ist.
Diese Raucherprausen unterbricht jedoch vor allem die Chefin des Hauses, Dorothea Gruber, gespielt von Linda Lenkeit. Sie erscheint stets adrett im roten Kostüm, einen Joghurtlöffel wie einen Taktstock schwingend. Zwischen „Jour fixe“ und spontanem Kontrollgang per Fahrstuhl ist sie die personifizierte Neurotik. Ein schöner Moment im Stück: Als sich das Gesundheitsamt anmeldet, packt sie wider Erwarten genauso an, das Chaos im Bürogebäude zu beseitigen, wie alle anderen.
Und dann wäre da noch Tobias Helmut Strauss: Emilia Schlolaut spielt ihn mit so viel überkorrekter Liebe zum Detail, dass man sich fragt, ob sie nicht selbst heimlich einen Gießplan für die Büropflanzen geschrieben hat. Tobias, der Mann, der am liebsten auch außerhalb der Arbeit „Mitarbeiter des Jahres“ wäre, sei – so seine KollegInnen – „als Kind in ein Fass voller Pünktlichkeit gefallen.“ Mit seinen pedantischen Listen und Protokollen sorgt er daher nicht nur für Ordnung, sondern auch für das eine oder andere Augenverdrehen.
© Unitheater KonstanzDie Chefin des Hauses, Dorothea Grüber (Linda Lenkeit), mit Hausmeister Tobi (Emilia Schlolaut).
Kontrastprogramm zu so viel Büropräsenz liefert der legendäre Karl Rumcik, genannt Rumme, verkörpert von Marcel Canellas Gottwalt. Er ist der alte Hase im Betrieb und eine Art inoffizieller Firmenphilosoph. Mit schief sitzender Mütze und trockenem Humor versieht er die Bühne mit aphoristischer Wärme. „Wenn du immer zu allem Ja und Amen sagst, wirst du mit dem Schaffen nie fertig“, gibt er so seinem Schützling Fynn direkt am Anfang des Stücks mit auf den Weg. Hinter den vielen kaputten Dingen, die es im Betrieb zu reparieren gilt, stehen also, glaubt man einem Rumme, nicht nur praktische Angelegeneheiten, sondern grundsätzliche Lebensfragen.
Am Ende wird deutlich: Die große Stärke des Stücks liegt in seiner Menschlichkeit. In der Erkenntnis, dass berufliches Ankommen nicht zwingend Karrieresprung bedeutet – sondern manchmal einfach bedeutet, ein Zuhause in einem Team zu finden. Seine KollegInnen sind für Fynn am Ende wie die Guardians of the Galaxy, mit denen er sie vergleicht – denn auch hier treffen Außenseiter mit Spezialfähigkeiten aufeinander und wachsen über sich hinaus. Nicht, weil sie Superkräfte haben, sondern weil sie sich gegenseitig unterstützen.
Was dieses Stück so besonders macht, ist, dass es keine Klischees bedient, sondern sie mit einem Augenzwinkern dekonstruiert. Das Hausmeisterteam wird nicht verklärt – aber respektiert. Fynns Punk-Ideal wird nicht verraten – sondern erweitert. Und das Publikum wird nicht belehrt – sondern eingeladen, mitzulachen, mitzudenken und sich womöglich zu erinnern: an den ersten Arbeitstag, die erste Überforderung, den ersten Moment, in dem man das Gefühl hatte, vielleicht doch angekommen zu sein.
Das Unitheater Konstanz (UTK)
Wer beim Zuschauen Lust bekommen hat, selbst einmal vom Theatersitz auf die Bühne – oder ins Regiepult, an den Kostümtisch oder hinter die Technik – zu wechseln, hat beim Unitheater Konstanz jede Chance dazu. Seit seiner Gründung 1970 lebt das UTK von der Leidenschaft und Kreativität seiner Mitglieder. Jede Produktion wird von einer zum Teil jedes Semester neu zusammengestellten Gruppe Studierender getragen, die gemeinsam Text, Bühne, Kostüm, Maske, Licht und Organisation gestalten. Vorerfahrung ist dabei keine Voraussetzung – entscheidend sind Neugier, Teamgeist und der Mut, Neues auszuprobieren.
Weitere Informationen über das Unitheater Konstanz: https://www.uni-konstanz.de/theater/