Interview: Damit die Wohnungssuche glückt

Die Universität Konstanz unterstützt internationale Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler mit ihrem Wohnungssuchservice. „Im Gespräch“ über die schwierige Wohnungssuche in Konstanz – und wie das Welcome Centre internationalen Gästen hilft, in Konstanz gut anzukommen.

Als forschungsstarke Einrichtung setzt die Universität Konstanz auf internationalen Austausch. Doch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland haben es nicht immer leicht, in Konstanz oder Umgebung eine Wohnung für ihren Aufenthalt zu finden. „Im Gespräch“ schildert die aktuelle Situation und Hintergründe – und wie die Universität Konstanz mit ihrem Welcome Center ihre internationalen Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bei der Ankunft in Deutschland unterstützt.

Ein Interview mit:
- Dr. Song Chen, PostDoc aus China am Fachbereich Chemie der Universität Konstanz
- Yipeng Liang, Doktorand aus China am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz
- Prof. Dr. Nicole Dehé, Prorektorin für Internationales und Gleichstellung an der Universität Konstanz
- Dr. Anke Hagedorn, Leiterin des Welcome Center an der Universität Konstanz

 

 

Dr. Song Chen, als Sie aus China nach Deutschland gekommen sind, mussten Sie als Erstes eine Unterkunft suchen. Hätten Sie ohne die Hilfe des Welcome Center eine Wohnung in Konstanz gefunden?

Dr. Song Chen: Ich denke, es wäre sehr viel schwieriger gewesen. Ich habe zwar auf Anzeigen E-Mails geschrieben, aber nur sehr wenige Rückmeldungen bekommen. Ich denke auch, dass die Sprache ein großes Problem ist, weil viele Angebote auf Deutsch geschrieben sind. Ich habe daraufhin das Welcome Center der Universität Konstanz über meine Ankunft informiert. Sein Team hat mir geholfen, vorübergehend eine Unterkunft zu finden. Vor Ort war es für mich dann einfacher, eine längerfristige Wohnmöglichkeit zu finden.

Yipeng Liang: Bei mir war es ganz ähnlich. Als ich nach Konstanz gekommen bin, hat mir das Welcome Center als Erstes eine vorübergehende Bleibe angeboten. Für meine Familie war es allerdings schwierig, ein längerfristiges Appartement zu finden. Manche Vermieterinnen und Vermieter sprechen ausschließlich Deutsch. Ich kann das nachvollziehen, aber für mich erschwert das natürlich die Kommunikation. Ich habe anschließend im Internet nach freien Wohnungen gesucht, bei der Verständigung mit den Vermietern hat mir das Welcome Center geholfen.

 

 

Wie lange haben Sie gebraucht, um diese Unterkunft zu bekommen?

Yipeng Liang: Viel Zeit. Ich würde sagen, drei Monate. Der Vermieter unserer zweiten Wohnung spricht glücklicherweise gut Englisch. Die Wohnung, in der wir derzeit leben, haben wir im Internet gefunden; es ist ein gut ausgestattetes Appartement. Auch bei der Vertragsunterzeichnung haben wir Unterstützung vom Welcome Center bekommen.

 

 

Herr Liang, Sie sind seitdem drei Mal umgezogen. Warum?

Yipeng Liang: Die erste Wohnung hatte ich nur vorübergehend – das war klar. In der Umgebung meiner zweiten Wohnung war es Tag und Nacht sehr laut, so dass ich nicht richtig schlafen konnte. Jetzt wohne ich in Dingelsdorf, einem Vorort von Konstanz – dort ist es nett und ruhig. Vielleicht kann ich dort länger bleiben.

Song Chen: Auch ich musste umziehen. Ich bin im Mai 2017 angekommen und hatte zunächst eine vorübergehende Bleibe für zwei Monate. Als ich mich nach einer anderen Wohnung umgeschaut habe, war es Sommer – eine schwierige Zeit für die Wohnungssuche. Ich habe aber schließlich eine Wohnung gefunden und bin froh darüber.

 

 

Was macht die Wohnungssuche in Konstanz so schwierig?

Prof. Dr. Nicole Dehé: Wir haben hier in Konstanz definitiv Standortnachteile – nicht nur im Vergleich mit anderen Ländern, sondern auch im innerdeutschen Vergleich. Einerseits gibt es zu wenige Mietwohnungen, andererseits viele Touristinnen und Touristen. Manche Wohnungsbesitzer vermieten ihre Wohnungen lieber als Ferienwohnungen an Touristinnen und Touristen, weil das mehr Geld einbringt und bisweilen auch leichter erscheint als eine Vermietung an internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zudem ist unser Nachbarland die einkommensstarke Schweiz, was Mietpreise in der Bodenseeregion ebenfalls nach oben treibt.

Dr. Anke Hagedorn: Die Situation hier ist für Wohnungssuchende aus Deutschland auch sehr problematisch. Aber für Internationale ist die Suche noch viel schwieriger.

Nicole Dehé: Wenn wir internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Konstanz gewinnen möchten und diese noch Angebote von weiteren Universitäten haben, kann es sein, dass die Wohnungsfrage entscheidend ist. Zumal die Wohnungssuche viel Zeit in Anspruch nimmt, selbst wenn man vor Ort ist.

 

 

Wie wichtig ist es für die Universität Konstanz, internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gewinnen?

Nicole Dehé: Sehr wichtig. Zum einen stehen wir im globalen Wettbewerb um gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Unsere Arbeitsgruppen profitieren von dem Wissen, das die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland mitbringen, sowie von der internationalen Perspektive. Zum anderen fungieren diejenigen, die nach ihrem Aufenthalt in Konstanz in ihr Heimatland zurückkehren, als Botschafterinnen und Botschafter der Universität Konstanz. Der Bekanntheitsgrad der Universität Konstanz wird durch sie gesteigert.

 

 

Die Universität Konstanz muss also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Wohnungen anbieten können.

Nicole Dehé: Auf jeden Fall. Wenn wir keine Unterkünfte haben, laufen wir Gefahr, interessierte und interessante Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler zu verlieren. Das können wir uns nicht leisten. Wir brauchen internationale Gäste für unseren interkulturellen Campus. Die internationale Atmosphäre ist ein wichtiger Aspekt unserer „Kultur der Kreativität“.

 

 

Frau Hagedorn, die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen als erstes Kontakt mit dem Welcome Center auf. Welche Schritte unternehmen Sie, wenn Sie ihre Anfragen bekommen?

Anke Hagedorn: Wir stellen zunächst fest, wann genau die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen, wie lange sie bleiben werden und ob ihre Familie dabei ist – wir haben ja gehört, dass es für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwieriger ist, mit ihrer Familie unterzukommen, als allein. Wir vom Welcome Center stellen die erste Unterkunft zur Verfügung – sei es für die ersten Wochen oder auch Monate, abhängig davon, wie lange die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier bleiben. Dabei mag es sich nicht immer um die perfekte Lösung handeln, aber doch um einen Platz, an dem man gut leben kann.

 

 

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Wohnungssuche vom Ausland aus?

Anke Hagedorn: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Vermieterinnen und Vermieter eine Wohnung nicht für eine längere Zeit vermieten möchten, wenn sie ihre Mieterinnen und Mieter nicht persönlich kennen. Auch für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es natürlich angenehmer, wenn sie eine Wohnung, die sie für einen längeren Zeitraum mieten möchten, zuvor persönlich besichtigen können.

Nicole Dehé: Dabei ist zu bedenken, dass der Aufenthaltstitel in der Regel an die Dauer der Mietverträge gebunden ist.

Anke Hagedorn: Ein weiteres Problem ist natürlich die Sprachhürde. Wir haben ein Assistenz-Team, das bei Sprachproblemen mit Vermietern, die bisweilen kein Englisch sprechen, unterstützt. Wir begleiten die Wohnungssuchenden bei der Besichtigung von Wohnungen und unterstützen sie beim Verstehen von Mietverträgen, weil diese meist auf Deutsch verfasst und für Leute aus dem Ausland bisweilen nur schwer verständlich sind. Das Welcome Center wird dadurch auch für die Vermieterinnen und Vermieter zu einem Ansprechpartner. Das Vertrauen der Vermieterinnen und Vermieter in die Universität ist häufig hilfreich bei der Vermittlung von Wohnungen.

 

 

Sie sagten, dass das Welcome Center eine erste Bleibe zur Verfügung stellt. Unterstützen Sie die internationalen Gäste auch bei der Suche nach einer dauerhaften Unterkunft?

Anke Hagedorn: Was wir nicht können, ist, für jede einzelne Person im Internet nach einer Wohnung zu suchen. Wir unterstützen aber bei der Suche. Wir haben sechs studentische Hilfskräfte, die mit den Wohnungssuchenden gemeinsam Wohnungsanzeigen sichten, Suchanzeigen formulieren, Besichtigungstermine organisieren und auch dabei begleiten. Unser Housing-Team im Welcome Center schaut in Wohnungsanzeigen, spricht mit Vermieterinnen und Vermietern, führt eine Liste und versorgt die studentischen Hilfskräfte mit Informationen. Das heißt: Unsere studentischen Hilfskräfte, unser Housing-Team und die Wohnungssuchenden kommunizieren permanent miteinander. Wir sind keine Immobilienagentur, versuchen aber, so gut es geht zu helfen. Meistens finden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwas, aber es ist ein großer Aufwand für uns alle.

 

 

Eines der speziellen Angebote der Universität Konstanz sind die Gästehäuser.

Anke Hagedorn: Die Universität Konstanz hat zwei Gästehäuser mit 29 Appartements angemietet, die meisten davon Ein- bis Zwei-Personen-Appartements und wenige Wohnungen für Familien. Die Gästehäuser sind sehr hübsch, in einer wunderschönen Lage am Konstanzer Seerhein, aber teils zu teuer für Menschen aus manchen Ländern. Dies liegt an der Lage und der ortsüblichen Miethöhe in Konstanz. Wenn wir von den großen Wohnungen für Familien sprechen, kosten diese viel Geld, und das können sich manche überhaupt nicht leisten. Hinzu kommt, dass die Mieterinnen und Mieter minimal einen Monat, maximal ein Jahr dort bleiben können. Wir haben also die Beschränkung durch Kosten und Zeitdauer. Leider reichen die Unterbringungsmöglichkeiten in den Gästehäusern bei Weitem nicht aus. Im Schnitt sind wir pro Semester für 400 Personen zuständig, derzeit sind es 450, die aus der ganzen Welt kommen. Obwohl unser Housing-Team sehr viel Arbeit und Zeit in die Suche nach freien Wohnungen steckt, haben wir nicht genügend Wohnmöglichkeiten.

Nicole Dehé: Das ist auch mit dem Umstand verbunden, dass wir eine junge Universität sind. Schauen wir auf die traditionellen Universitäten, so haben sie alle über lange Jahre hinweg ihre eigenen Gästehäuser errichtet, manchmal mit mehreren hundert Appartements. In der kurzen Bestehenszeit einer jungen Universität ist es jedoch schwierig, so etwas aufzubauen.

 

 

Bisher haben Sie aber für jede Wissenschaftlerin und jeden Wissenschaftler eine Unterkunft gefunden.

Anke Hagedorn: Bisher musste niemand unter einer Brücke schlafen – unser Ziel ist, einen Platz für jeden zu finden. Aber wenn die Wohnungssuchenden kurzfristig anrufen und noch dazu im Sommer kommen wollen, also in der touristischen Hochsaison, ist es sehr schwierig für uns, etwas für sie zu finden. Manche entscheiden sich, in ein Hotel zu gehen, aber das können sie sich nicht für längere Zeit leisten. Im schlimmsten Fall müssen wir sagen: „Es tut uns leid, aber vor September/Oktober können wir keine Unterkunft für Sie finden.“

Müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren Aufenthalt dadurch nach hinten verschieben, ist das natürlich auch schlecht für den Fachbereich. Wir hatten den Fall einer jungen Mutter mit drei Kindern, die nach Friedrichshafen gezogen ist. Die Fahrt von dort zur Universität Konstanz und wieder zurück nur für einen halben Tag – das ist keine gute Lösung. Wenn wir sagen, dass wir für jeden etwas finden, bedeutet es auch, dass wir dafür ganz schön kämpfen müssen. Trotzdem sind wir überzeugt: Es ist wichtig, den Internationalisierungsprozess an der Universität Konstanz zu unterstützen. Es zahlt sich aus.

 

 

Herr Dr. Chen, Herr Liang – nun, da Sie Ihre Wohnungen in Konstanz gefunden haben: Wie ist die Lebensqualität hier?

Yipeng Liang: Wir wohnen in der Nähe des Bodensees, haben sogar einen kleinen Garten. Es ist ruhig und schön.

Song Chen: Ich bin sehr zufrieden, meine Familie fühlt sich hier wohl. Ich zahle 540 Euro Miete im Monat. Davor habe ich in einer Wohnung gelebt, für die ich 800 Euro im Monat für 45 Quadratmeter bezahlen musste. Jetzt habe ich es viel besser.

 

 

Sind die Menschen hier zu Ihnen freundlich? Fühlen Sie sich integriert?

Song Chen: In meinem Alltag habe ich mit meinen Nachbarn nicht viel zu tun. An meinem Arbeitsplatz ist das anders. Dort rede ich mit den Kolleginnen und Kollegen, sie sind sehr nett. Gehe ich aber beispielsweise zu einer Bank oder zu anderen Servicestellen, ist es schwierig für mich, weil ich häufig nicht verstehe, wie das System dort funktioniert. Aber auch dabei unterstützt mich das Welcome Center.

 

 

Was sagen andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland über ihre Wohnungen in Konstanz?

Anke Hagedorn: Viele sind total glücklich mit ihren Wohnungen. Wir haben aber auch Fälle, in denen die Vermieterinnen und Vermieter denken, dass sie auch Wohnungen vermieten können, die in einem sehr schlechten Zustand sind. Manche verlangen sehr viel Geld, obwohl nicht alles funktioniert. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe. Aber es ist in der Tat so, dass sich die Vermieterinnen und Vermieter hier sehr viel erlauben können, weil die Nachfrage viel größer ist als das Angebot.

 

 

Glücklicherweise gibt es sehr viel mehr weiße als schwarze Schafe. Gibt es auch Vermieterinnen und Vermieter, die ausschließlich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland vermieten wollen, weil sie mit ihnen gute Erfahrungen gemacht haben?

Anke Hagedorn: Wir machen unsere Arbeit im Welcome Center seit zehn Jahren. In dieser Zeit haben sich sehr gute und sehr nette Kontakte zu Vermieterinnen und Vermietern entwickelt. Sie freuen sich, wenn sie an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland vermieten können – diese öffnen für sie „ein Fenster zur Welt“. Diese Vermieterinnen und Vermieter rufen bei uns an, fragen, ob sie wieder internationale Gäste aufnehmen können – und sind glücklich, wenn es klappt.

 

 

Herr Dr. Chen, Herr Liang, stellen Sie sich vor, in zehn Jahren hätten Sie die Möglichkeit, wieder nach Konstanz zu kommen. Würden Sie es tun?

Song Chen: Ja, auf jeden Fall. Auch wegen der hervorragenden wissenschaftlichen Arbeit, der Umgebung, der Natur.

Yipeng Liang: Da kann ich mich nur anschließen.

Yipeng Linang

Song Chen

Dr. Jürgen Graf

Von Dr. Jürgen Graf - 20.09.2018