So erreichen Lehrinhalte die Menschen

Luisa Hoffmann ist Mitglied im Green Office der Universität Konstanz und setzt sich dort für die nachhaltigere Gestaltung von Lehre und Forschung ein. uni’kon hat sie zum Thema Nachhaltigkeit in der Lehre befragt. Zunächst einmal sagt sie jedoch, was sie vom digitalen Sommersemester während des Notbetriebs an der Universität Konstanz hält.

uni’kon: Frau Hoffmann, im aktuellen Sommersemester wird die Lehre an der Universität Konstanz wegen der Corona-Situation digital absolviert. Wie stehen Sie dazu?

Luisa Hoffmann: Zuerst möchte ich an dieser Stelle gerne allen Lehrenden danken. Ich finde es großartig, was hier in kürzester Zeit auf die Beine gestellt wurde!
Die Vorteile sind natürlich, dass die Lehre weiterhin stattfinden kann und auch mit Hilfe verschiedener Programme zeitgemäß und abwechslungsreich gestaltet werden kann. Nachteil ist, dass man sich nicht persönlich sieht, was ich nach wie vor sehr wichtig finde. Es ergibt sich eine andere Lernatmosphäre und face to face meistens eine intensivere Diskussion. Außerdem sind wir stark auf die Technik angewiesen. Sollte zum Beispiel das Internet ausfallen, kann auch die Lehre nicht stattfinden.
 

uni’kon: Könnten Sie sich gegebenenfalls vorstellen, dass die digitale Lehre an der Universität Konstanz durch diese Situation künftig noch breiter angeboten wird?

Luisa Hoffmann: Ja, das kann ich mir hier an der Uni sehr gut vorstellen. Eventuell könnten sich daraus auch Plattformen und Lernportale ergeben, die zum Beispiel so aufgebaut sind wie die Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit, an der wir vom Green Office seit acht Jahren teilnehmen.  

uni’kon: Was ist die Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit?

Das ist eine Online-Plattform der Universität Bremen, auf der sich Studierende von wo auch immer anmelden und Vorlesungen zum Thema Nachhaltigkeit hören können. Damit konnten wir in der Vergangenheit bereits 17 Veranstaltungen anbieten, die wir hier vor Ort nicht hätten stemmen können. Sie sollte ursprünglich ab diesem Semester eingestellt werden, geht jetzt aber weiter. Es wäre toll, wenn es mehrere solcher Angebote gäbe, denn so könnten wir und viele andere Unis den Lehrbereich – für die Studierenden kostenfrei – erweitern und ihnen eine Vielfalt aus verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen ermöglichen. Damit könnten wir auch unseren Schlüsselqualifikationsbereich erweitern.

Im Fall der Virtuellen Akademie ist großartig, wie sich ein Netzwerk zwischen den vielen beteiligten Unis bildet und dass man an jedem Ort die Prüfung schreiben kann.

Luisa Hoffmann, Mitglied im Green Office der Universität Konstanz

 

uni’kon: Das Green Office hat gemeinsam mit dem Bereich Schlüsselqualifikation aber auch ein eigenes Angebot zum Thema Nachhaltigkeit entwickelt.

Luisa Hoffmann: Stimmt, das Nachhaltigkeitszertifikat QualiN. Das Green Office hat es in Kooperation mit dem Zentrum für Schlüsselqualifikation im Wintersemester 2017/2018 hier an der Universität ins Leben gerufen. Die Komponenten von der Qualifikation N sind Lernen, Umsetzen, Vernetzen. Die erste Komponente vermittelt Theorie, zum Beispiel zu städtischen Nachhaltigkeitsstrategien oder Gemeinwohlökonomie. Ein weiteres Thema, das wir auch als Theorieseminar anbieten und mit dem ich mich auch selbst beschäftigt habe, ist „Cradle to Cradle“. Dabei geht es um das vollständige Recyceln von Materialien. Das kann zum Beispiel in der Bauindustrie wichtig sein. Die zweite Komponente besteht in einem Praxis-Projekt, in dem das Wissen umgesetzt wird. In der dritten Komponente werden Netzwerk-Treffen vermittelt.

uni’kon: Könnten Sie Beispiele für solche Praxis-Projekte geben?

Luisa Hoffmann: Es gibt ein Projekt am Haettelihof, einem Demeter-Hof hier gleich unterhalb der Universität im Hockgraben. Das Projekt bestand darin, dass eine Komposttoilette für den Hof gebaut wurde. Ein weiteres Projekt gab es zusammen mit den Entsorgungsbetrieben der Stadt Konstanz, bei dem es um das Recyceln des Biomülls ging. Es ist cool, wenn Akteure von der Stadt dazukommen.

uni’kon: Woher kommen die Leute, die die Seminare geben beziehungsweise die Netzwerktreffen veranstalten?

Luisa Hoffmann: Die kommen hauptsächlich aus der Stadt und aus der näheren Umgebung. So vernetzen wir uns auch mit der Stadt und bilden die dritte Komponente, die Netzwerktreffen. So können wir zum Beispiel auf der Insel Mainau ein Netzwerktreffen anbieten. Zu den Treffen sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Hier steht der Austausch im Vordergrund, und so bringen wir auch das gelernte Wissen in die Gesellschaft. 

Es gibt nicht nur die ökologische, sondern auch noch die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Wir versuchen, alle drei Säulen der Nachhaltigkeit abzudecken.

Luisa Hoffmann, Mitglied im Green Office der Universität Konstanz

Die meisten Studierenden, die bei der QualiN mitmachen, kommen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften. An dieser Stelle möchte ich auch gerne ein großes Lob an die Fachbereiche aussprechen. In meinem Fachbereich Literatur – Kunst – Medien zum Beispiel werden zahlreiche Seminare zum Thema soziale Nachhaltigkeit angeboten. Dort habe ich selbst eins zum Thema Kunst und Gender besucht, bei dem es um Frauen in der Kunst ging. Das finde ich wirklich toll! 

uni’kon: Und wie sieht es hier mit dem digitalen Sommersemester aus?

Luisa Hoffmann:Im aktuellen Sommersemester können glücklicherweise die Schlüsselqualifikationsseminare stattfinden. Wir sind sehr dankbar, dass viele Dozierende ihr Seminar zu einem Online-Seminar umgestalten konnten. Die Netzwerktreffen müssen leider ausfallen, aber sobald es die Umstände zulassen, geht es wieder los. Versprochen.

Maria Schorpp

Von Maria Schorpp - 14.05.2020

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