Altersgrenzen flexibler gestalten

Das Netzwerk „Altersbilder“ an der Universität Konstanz präsentiert ein Positionspapier mit sechs Impulsen für vielfältigere Altersbilder, die zum Motor für Gesundheit und gesellschaftliche Entwicklung werden können.
© Netzwerk Altersbilder/Sketchnotes-Ruhr.de 2023

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte wissenschaftliche Netzwerk „Altersbilder“ an der Universität Konstanz hat am heutigen 9. Mai 2023 ein Positionspapier veröffentlicht, ein sogenanntes White Paper. Unter der Leitung der Gesundheitspsychologin Verena Klusmann präsentiert das Papier sechs Impulse für vielfältigere Altersbilder. Altersbilder – das sind persönliche und gesellschaftliche Vorstellungen vom Älterwerden, vom Altsein und von alten Menschen.

Das White Paper verdeutlicht, wie differenzierte Altersbilder zum Motor für Gesundheit und Entwicklung werden können. Basierend auf den Ergebnissen eines vom Altersbilder-Netzwerk organisierten Stakeholder-Workshops, in dem neben WissenschaftlerInnen auch verschiedenste gesellschaftliche Gruppen vertreten waren, fordert die 41-köpfige AutorInnengruppe ein Umdenken: Altersgrenzen wie etwa der gesetzliche Renteneintritt seien zu starr und unflexibel und sollten neu diskutiert werden.

© privat/Verena Klusmann

Für „bunte“ Role Models einsetzen, Tod und Sterben enttabuisieren und Altersbilder in Bildungsplänen verankern
Um konkrete Wirkungen entfalten zu können, formuliert das White Paper sechs Impulse  – vom Apell, Teilhabe zu ermöglichen und eine positive Alternskultur zu prägen, bis zur Forderung, Stereotype und Ageismus, die Diskriminierung allgemein aufgrund eines bestimmten Lebensalters, klar zu benennen und dagegen einzutreten. Die AutorInnengruppe versteht das Papier als Selbstverpflichtung und ruft AkteurInnen aus Wissenschaft, Medien, Politik und Bildung dazu auf, sich ihren Forderungen anzuschließen. So gelte es, sich für Diversität und Vielfalt einzusetzen und entsprechend diverse „bunte“ Role Models zu fördern. Es müsse stärker als bislang auf Ageismus hingewiesen werden. Dies sei die häufigste Form von Diskriminierung, bliebe jedoch zugleich häufig unerkannt, so die AutorInnengruppe.

„Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit unseren Altersbildern müssen auch das Lebensende und Ängste hiervor in den Blick genommen werden“, sagt Verena Klusmann, die das Altersbilder-Netzwerk seit 2016 an der Universität Konstanz geleitet hat und seit September 2022 Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention an der Hochschule Furtwangen ist. „Tod und Sterben sind jedoch aus dem Alltag ausgelagert“. Die AutorInnen fordern, die Tabus rund um Tod und Sterben aufzuheben und das Lebensende mehr in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken. Es gelte, Raum für Gespräche über das Leben im hohen Alter, das Sterben und den Tod zu schaffen.

Das Positionspapier betont, dass Altersbilder – ein bedeutsamer Hebel für Gesundheit und individuelle und gesellschaftliche Entwicklung – von Kindheit an verinnerlicht werden. Dennoch fehle in den Bildungsplänen von Kitas, Schulen, Ausbildungen und Hochschulen die reflektierte Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. Besonders zum Tragen kämen negative Altersbilder in Bereichen der medizinischen Versorgung und Pflege, sagt Klusmann:

„Weil falsche Normen herrschen, sind Fehlversorgungen und Unterinanspruchnahmen von gesundheitlicher Versorgung weit verbreitet. Wir müssen damit aufräumen. Gebrechlichkeit und Depressionen im Alter sind nicht ‚normal‘.“

Verena Klusmann

Was der Gesellschaft außerdem fehle, sei die Anerkennung der wirtschaftlichen Ressource, die alte Menschen darstellten. Ohne die Kinderbetreuung und das Engagement älterer Menschen jenseits der Erwerbstätigkeit beispielsweise würde eine enorme Wirtschaftskraft fehlen. Darüber hinaus stellen die AutorInnen klar: „Die Zahl der RuheständlerInnen, die Unternehmen gründen, steigt.“

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Älterwerden steigert die Lebenserwartung
„Durch vielfältigere Altersbilder können wir Entwicklungsspielräume eröffnen“, heißt es in dem Papier. Die AutorInnen führen aus, dass sich durch eine differenzierte Sicht auf das Älterwerden das Vorsorgeverhalten und die Gesundheit verbessern können. Aktuelle Studien liefern gar Belege, dass positive Altersbilder in jüngeren Jahren schließlich die Lebenserwartung bedeutsam steigern.

Altersbilder werden als wichtiger Motor für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung und für die Solidarität zwischen den Generationen betrachtet.

„Im Verlauf der gesamten Lebensspanne lässt sich über den Hebel positiver Altersbilder die Lebensqualität bedeutsam erhöhen“

Verena Klusmann

Über das Netzwerk „Altersbilder“
Das wissenschaftliche Netzwerk „Altersbilder“ wurde von 2016 bis 2022 von der DFG mit 49.000 Euro gefördert. Geleitet hat es Verena Klusmann, zunächst Universität Konstanz, jetzt Hochschule Furtwangen. Im Herbst 2022 veröffentlichte das Altersbilder-Netzwerk ein Video das Altersbilder und ihre Wirkung erklärt und zum Nachdenken, Hinterfragen und Diskutieren anregt.

https://youtu.be/dSuOwo02RWI

 

Maria Schorpp

Von Maria Schorpp - 09.05.2023