Ziel 5: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen


In den letzten Jahrzehnten hat sich in Deutschland viel getan im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter: Mädchen und junge Frauen nehmen gleichberechtigt am Bildungssystem teil und haben Jungen und junge Männer im allgemeinbildenden Schulsystem sogar überholt, erzielen also im Mittel bessere Noten und erreichen häufiger Schulabschlüsse, die sie zu einem Hochschulstudium befähigen. Die Erwerbsquote von Frauen und Müttern, die in Ostdeutschland traditionell höher war, ist auch in Westdeutschland stetig gestiegen, so dass inzwischen eine Mehrheit der Mütter erwerbstätig ist. Wie wir unsere Analysen zeigen, hat sich dadurch auch der Beitrag von Frauen zum Paareinkommen in den letzten Jahrzehnten stetig vergrößert. 

Auf der anderen Seite gibt es Bereiche, in denen keine Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist: Wie wir uns in einem neuen Forschungsprojekt zur sogenannten „leaky pipeline“ anschauen werden, wählen junge Frauen weiterhin seltener Studienfächer im ingenieur- und technikwissenschaftlichen Bereich, was den Fortbestand männer- und frauendominierter Bereiche auf dem Arbeitsmarkt zur Folge hat. Da männerdominierte Berufe in der Regel besser bezahlt und abgesichert sind, trägt diese sogenannte horizontale Segregation dazu bei, dass die Lohnlücke über die Jahre stabil geblieben ist. Interessant ist, dass diese Lohnlücke von Männern wie Frauen als fair wahrgenommen wird. Wie diese Wahrnehmung sich in unterschiedlichen betrieblichen Kontexten unterscheidet, erforschen wir in einem Projekt im Rahmen des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.

Eine weitere Ursache für den sogenannten Gender Pay Gap ist, dass Frauen weiterhin deutlich mehr unbezahlte Hausarbeit leisten und stärker in die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen eingebunden sind, was dazu führt, dass sie häufig über lange Jahre in Teilzeit erwerbstätig sind. In einem Projekt zum „Produktiven Altern in Europa“ beschäftigen wir uns auch mit der Frage, ob informelle Pflege für Eltern, Partner oder Enkelkinder dazu führt, dass Frauen früher in den Ruhestand gehen. 

In allen diesen Bereichen ist es wichtig, auch die Unterschiede zwischen Frauen in den Blick zu nehmen: So sind im deutschen Wohlfahrtssystem insbesondere Alleinerziehende in einer schwächeren Position. Politische Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung sollten diese Vielfalt innerhalb der Gruppe der Mädchen und Frauen im Blick behalten, um hier möglichst allen faire Chancen zu bieten.

Prof. Dr. Susanne Strauß ist Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Gender Studies. Sie forscht zu Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem und interessiert sich besonders für Geschlechtersegregation, also die Frage, warum Männer und Frauen vielfach in unterschiedlichen Bereichen studieren und arbeiten. Außerdem erforscht sie Geschlechterungleichheiten in unbezahlten Tätigkeiten, sei es im Ehrenamt oder in Kinderbetreuung und Haushalt.


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Prof. Dr. Susanne Strauß

Von Prof. Dr. Susanne Strauß - 14.05.2020

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