„Oh, what a lovely war!“

Cecilia Amann ist die neue Leiterin des Unitheaters Konstanz. Als erste Inszenierung hat sie mit ihrem studentischen Ensemble eine Kriegsrevue einstudiert.
© Unitheater Konstanz

Frau Amann, die Premiere Ihrer ersten Inszenierung mit dem Unitheater Konstanz als neue Leiterin steht ins Haus. Was werden wir sehen?

Cecilia Amann: Meine endgültige Wahl fiel mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Wir spielen „Oh, what a lovely war!“ aus dem Jahr 1963 von der englischen Autorin Joan Littlewood, eine musikalische Revue über den ersten Weltkrieg. Grundlage des Stücks war eine Radiosendung zu Liedern aus dem ersten Weltkrieg, der aus britischer Perspektive erzählt wird, aber, ganz untypisch, keine Kriegspartei mehr verurteilt als die andere. Alle haben die gleichen Probleme, aber auf unterschiedlichen Ebenen: die Politiker und hohen Militärs mit ihren Intrigen, der Korruption und mit dem Machtstreben, für das Millionen von Menschenleben geopfert werden. Die Kriegsgewinnler, deren größte Sorge das Ende des Krieges ist. Ganz viel wird auch aus Sicht der Soldaten erzählt, nicht zuletzt über Soldatenlieder, oft umgedichtete Schlager der Zeit, die vom Leben in den Schützengräben erzählen.

Und wie hört sich das musikalisch an?

Die Lieder werden vom Ensemble gesungen. Instrumental steht bei uns das Klavier im Mittelpunkt, doch auch ein paar andere Instrumente kommen vor. Ich habe das Stück auch deshalb gewählt, weil ich beim Workshop, den ich im vergangenen Januar mit dem Ensemble durchgeführt habe, gemerkt habe, dass es da viele geübte Sängerinnen und Sänger und allgemein eine große Begeisterung für Musik gibt. In der Eigenproduktion des „Sommernachttraums“ des Unitheaters vor zwei Jahren hat ein Ensemblemitglied die Musik selbst komponiert. Das war Sophia Niehl, sie hat jetzt gemeinsam mit Bernadette Richter die musikalische Leitung inne. Sie spielt auch und hat teilweise die Arrangements neu geschrieben. Es gibt daneben viele, die schon lange singen oder sogar eine Gesangsausbildung haben. Wieder andere haben keine Gesangserfahrung, aber da es Schützengraben-Lieder sind, kommt das der Realität sehr nahe. Da konnten ja auch nicht alle schön singen. Die Lieder erzählen ganz viel über das Leben im Krieg, mal satirisch, mal schlicht. Auch Propagandalieder sind dabei.

Können Sie Näheres zum Personal des Stücks sagen?

Es gibt die Sicht des einfachen Soldaten wieder, besteht aber auch aus einer Aneinanderreihung von Bildern quer durch die Gesellschaft. Es kommen Militärs, Politiker, die internationale Rüstungsindustrie vor, aber auch die Friedensbewegung und die Bevölkerung, die rekrutiert wird. Vieles ist ins Lächerliche gezogen, ins Groteske, das Stück ist sarkastisch mit teilweise scharfem, bösem Humor.

© Universität Konstanz

Ich halte das oft für den einzigen Weg, um dem Schrecken der Welt zu begegnen.

Cecilia Amann

Haben Sie es aktualisiert?

Das ist meiner Ansicht nach nicht notwendig. Wir haben es eher aus der konkreten Zeit genommen, um die Wiederholbarkeit darzustellen. Die Wahl ist auch deshalb auf das „Oh, what a lovely war!“ gefallen, weil es zeitlos ist. Während wir geprobt haben, ist in der Ukraine so viel passiert, was auch im Stück vorkommt. Außerdem war mal im „Spiegel“ zu lesen, dass es aufgrund des Krieges soundso viele neue Millionäre gibt. Auch das steht im Stück, auf den ersten Weltkrieg bezogen. Joan Littlewood, die sich nicht als die Autorin sah, weil die Revue als Stückentwicklung mit dem Ensemble des „Theatre Workshop“ entstanden ist, hat im Nachlass streng festgelegt, was man mit dem Stück machen darf. Das musste ich im Vertrag unterschreiben. Es darf nicht übersetzt werden, weshalb wir auf Englisch spielen. Es dürfen z. B. auch keine Mohnblumen vorkommen, die „poppies“, die in Großbritannien gefallene Soldaten symbolisieren. So etwas hätten wir auch nicht gemacht. Wir spielen in einem neutralen Raum, Konkretes wird nur angedeutet. Es kann jederzeit überall passieren und jeden treffen.

Joan Littlewood ist in Deutschland kaum bekannt. Wer war sie?

Sie wurde 1914 in London geboren und hat in Großbritannien die Theaterlandschaft verändert. Sie hat insbesondere Theatermittel, die in Deutschland viel früher von Brecht und Piscator eingeführt wurden, auf die Insel gebracht. So beispielsweise den Einsatz unterschiedlicher Medien in Theaterinszenierungen. Die hatten dort komplett naturalistisches Theater mit Wohnzimmern auf der Bühne, die bis auf das kleinste Detail eingerichtet waren. Sie hat Stückentwicklungen gemacht und mit Autoren zusammengearbeitet. Nach dem zweiten Weltkrieg gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann die Theatergruppe „Theatre Workshop“, mit der sie durchs Land tourte. Es wurde viel improvisiert, keine Aufführung war wie die andere, umso schwieriger, das schriftlich festzuhalten. Das führte auch dazu, dass das exzellente Ensemble kaum öffentliche Förderung erhielt und sie alle lange Zeit in Armut lebten.

Wie haben Sie Ihre erste Inszenierung mit dem Ensemble des Unitheaters erlebt?

Also zunächst: Das Ensemble ist wahnsinnig gut selbstorganisiert. Es hat vor einiger Zeit Abteilungen eingeführt. Es gibt eine Masken-, eine Kostüm-, eine Bühnenbild-, eine Marketing-, eine Dramaturgie-Abteilung, die alle mit etwa sechs bis 15 Leuten und je einer Abteilungsleitung besetzt sind und sich alle eigenständig einbringen. Die Studierenden haben zu Semesterbeginn selbst wieder eine Inszenierung erarbeitet, die wegen Corona-Ausfällen dann aber nur als szenische Lesung aufgeführt werden konnte. Weitere Eigenproduktionen sind in Arbeit.

© Unitheater Konstanz

Eine Szene aus der Probe des Universitätstheaters Konstanz von „Oh, what a lovely war!“ auf der Studiobühne.

Die können das, schließlich haben sie das Unitheater einige Zeit ohne Leitung unter Corona-Bedingungen am Laufen gehalten. Von Corona waren unsere Proben auch betroffen, weshalb wir zuerst die Figurenentwicklung und die Arbeit am Text über Zoom gemacht haben. Wir haben dadurch leider viel Zeit verloren. „Oh, what a lovely war!“ ist ein sehr lebendiges Stück mit sehr vielen Wechseln und um die 200 Rollen. Wir hatten ein Krisengespräch, wo eine Verschiebung der Premiere verhandelt wurde. Als Ensemble haben wir uns dagegen entschieden, und nun sind alle mit großer Ausdauer und Kraft dabei. So etwas schweißt eben auch zusammen.

Es ist ein ganz, ganz tolles, engagiertes und mutiges Ensemble. Ich bin hin und weg.

Cecilia Amann

Haben Sie Lampenfieber?

Früher als Schauspielerin gar nicht. Ich habe als Schülerin am Unitheater bei Tessa Theodorakopoulos angefangen. Ich habe fünf Minuten vor Auftritt im Kostüm noch die Kasse gemacht und bin dann wie schlafwandelnd auf die Bühne marschiert. Außer ich musste singen, da habe ich mir ordentlich ins Hemd gemacht. Bei dieser Inszenierung werde ich aber unglaublich aufgeregt sein. Es ist anders hinter der Bühne, da ist man ab der Premiere nur noch Beobachter.

Jetzt müssen Sie aber noch erzählen, wie Sie zum ersten Mal ans Unitheater geraten sind und was es mit den „Amann Sisters“ auf sich hat.

Es gab eine Annonce in der Zeitung: Unitheater sucht Frauen zwischen 15 und 95 für seine Inszenierung der „Bakchen“ von Euripides. Da sind meine Mutter, meine Schwester und ich hingegangen. Wir waren die Amann Sisters. Und gehörten zu den wilden Bakchen in einem der Hinterhöfe der Uni. Wir sind brüllend über die Hügel gerast und haben uns von den Mücken zerstechen lassen. Tessa Theodorakopoulos war damals die Leiterin des Unitheaters. Sie war in ihrer Professionalität ein Luxus für das Theater und ist für mich bis heute sehr prägend. In einer ihrer Sommertheaterschulen habe ich entdeckt, was beim Schauspielen alles dahintersteckt, und wollte noch mehr wissen.

© Unitheater Konstanz

In den „Bakchen“ des Euripides spielte Cecilia Amann zum ersten Mal im Unitheater mit: Sie war eine der Bakchen (sitzend in der Mitte), ebenso ihre Schwester Esther Amann (ganz links) und ihre Mutter Kathleen Amann (steht als dritte von rechts leicht im Hintergrund). Kurz: die Amann Sisters.

 

Sie haben bislang hauptsächlich mit Profis gearbeitet. Was ist der Unterschied zu einem Laien-Ensemble?

Es braucht mehr Routine. Profis können besser mit unsicheren Situationen umgehen. Tessa sagte immer, ein Laien-Ensemble braucht zehn Durchläufe. Und mehr Unterstützung. Wenn ich in einer Inszenierung spiele, erarbeite ich ganz vieles allein. Das ist für die Studierenden oft gar nicht möglich, sie haben ja auch noch ihr Studium. In diesem Ensemble gibt es aber viele, die schon lange beim Unitheater mitmachen. Ich bin sehr positiv überrascht, wie experimentierfreudig sie sind und wie sie sich mit Lust und Mut reinstürzen. Andererseits besitzen Laien oft eine Frische in ihrer Herangehensweise, die man bei Profis manchmal vermisst.

Welche Rolle wird das Experimentieren bei Ihnen spielen?

Wenn ich zurückdenke, als wir mit „crucible“ Stückentwicklung gemacht haben, war das eine komplett andere Arbeit, als wenn ich einen vorhandenen Text inszeniere. Durch den Probenausfall haben wir genau die Zeit des Experimentierens und der Improvisation extrem gekürzt. In Zukunft möchte ich aber auch Workshops anbieten und den Beteiligten Techniken an die Hand geben. Wichtig ist mir, dass es auch Projekte der Studierenden geben soll. Das ist die Bühne der Studierenden. Wenn jemand eine Idee hat, sollte der Raum da sein, sie auch auszuprobieren. Ich finde den Raum zum Experimentieren sehr wichtig.

  •  Premiere am Samstag, 16.07.2022, um 20 Uhr auf der Studiobühne der Universität Konstanz
  •  Weitere Aufführungen am 17.07., 19.07., 20.07., 21.07., 22.07., 23.07. 2022
  •  Abendkasse ab 19.30 Uhr
  •  Vorverkauf jeweils Montag bis Freitag von 11.30 Uhr bis 14 Uhr im Universitätsfoyer und im Bücherschiff Konstanz zu den jeweiligen Öffnungszeiten.

 

 

Dr. Maria Schorpp

Von Dr. Maria Schorpp - 12.07.2022