Wie Landvögel Ozeane überqueren

Zugvögel wählen ihre Routen so, dass sie die besten Rücken- und Aufwindbedingungen vorfinden, um sicher und ohne Zwischenstopps hunderte von Kilometer über das offene Wasser fliegen zu können.
© Bild: Wouter Vansteelant

Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz haben untersucht, wie große landlebende Vögel ohne Zwischenstopps hunderte von Kilometer über das offene Meer fliegen können. Mit modernster GPS-Technologie hat das Team den weltumspannenden Zug von Vogelarten aufgezeichnet, die auf ihrem Weg in den Süden das offene Meer überqueren. Es stellte sich heraus, dass die Vögel die Rücken- und Aufwindbedingungen optimal nutzen, um Energie zu sparen, ja gar ihre Zugrouten anpassen, um optimale atmosphärische Bedingungen anzutreffen. Die heute in den Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte Studie ist die bisher größte Datensammlung von Meeresüberflügen von landlebenden Vögeln. Ihre Ergebnisse zeigen die zentrale Rolle der atmosphärischen Bedingungen für den Vogelzug über dem offenen Meer.
 
Der Flug über das offene Meer kann für Landvögel sehr gefährlich sein. Im Gegensatz zu den an ein Leben im Ozean angepassten Meeresvögeln können sie nicht im Wasser landen oder auf dem Meer Nahrung finden. Landlebende Vögel müssen daher große Strecken über offenem Wasser in einem Stück absolvieren, ohne die Gelegenheit für Erholungspausen oder zur Nahrungsaufnahme. Bisher haben Ornitholog*innen angenommen, dass insbesondere große landlebende Vogelarten es grundsätzlich vermeiden, über ausgedehnte offene Wasserflächen zu fliegen, und nur in der Lage seien, kurze Strecken von weniger als 100 Kilometern über dem Meer zurückzulegen.
 
Mit dem technischen Fortschritt jedoch gerät diese Annahme zunehmend ins Wanken. Den Nachweis dafür, dass viele landlebende Vögel hunderte oder sogar tausende von Kilometern über offenem Meer fliegen, liefern aufgezeichnete Daten aus modernster GPS-Technologie, mit welcher Forschende die Tiere ausstatten, um ihre Bewegungen in hoher Auflösung und über lange Zeiten hinweg aufzuzeichnen. Solche Daten geben Einblick, wie Vögel, die nicht an ein Leben auf dem Wasser angepasst sind, solch große Strecken als Teil des jährlichen Vogelzugs überwinden. Flügelschlagend wären solch lange Strecken besonders für große und schwere Arten ohne Erholungspausen nicht zu bewältigen. Frühere Studien haben schon zeigen können, dass durch geeignete Rückenwinde viel Energie eingespart und somit die Notwendigkeit von Rastpausen vermieden wird. Eine neue Studie hat sogar den Nachweis erbracht, dass Fischadler aufsteigende Thermik über dem Wasser zu nutzen scheinen.

© Elham Nourani

Landlebende Vögel können hunderte von Kilometer über offenes Meer fliegen. Dr. Elham Nourani und Kollegen zeigen in ihrer Studie anhand der Herbstzüge, dass die Wahl der Zugrouten mit Orten mit besonders unterstützenden Windbedingungen zusammenfällt. Durch geeignete Aufwinde werden die energetischen Kosten und damit die Risiken eines Überfluges minimiert.


 
Die neue Studie hat nun anhand von 65 Vögeln aus fünf Arten die umfassendste Auswertung dazu geliefert, wie landlebende Vögel solch lange Überflüge schaffen. Ein internationales Team aus Forscher*innen sammelte hierzu über neun Jahre hinweg Daten aus 112 Langstrecken-Überflügen über das offene Meer. In Kombination mit globalen Atmosphärendaten zeichnen die zusammengetragenen Daten die genauen Bedingungen dieser Überflüge nach, woraus zu verstehen möglich wurde, unter welchen Bedingungen und an welchen Orten solche Überflüge absolviert wurden. Die Daten unterstreichen die Bedeutung von Rückenwind, zeigen aber auch, dass Aufwinde eine wichtige Rolle in der Energiebilanz solcher Überflüge spielen und darüber entscheiden, an welchen Orten solche Überflüge überhaupt möglich sind.
 
„Bis vor kurzem wurde angenommen, dass Aufwinde selten bis gar nicht über Wasser vorkommen. Wir zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Zugvögel wählen sogar ihre Routen so, dass sie ideale Rücken- aber auch Aufwindbedingungen vorfinden, wenn sie über das Meer fliegen müssen. Die Kombination dieser Bedingungen ermöglicht Flüge von hunderten Kilometern Länge über die Meere”, schildert Dr. Elham Nourani, DAAD-Stipendiatin am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz und zuvor am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie tätig, wo sie die Studie durchführte.
 
Der Schopfwespenbussard zum Beispiel fliegt während des Herbstzuges über 700 Kilometer über das Ostchinesische Meer von Japan bis nach Südostasien. Diesen rund 18 Stunden dauernden Überflug unternehmen die Vögel nur unter optimalen Wind und Wetterbedingungen. „Durch die Aufwinde, die der Schopfwespenbussard nutzt, können diese Vögel in Höhen von bis zu 1.000 Meter über der Meeresoberfläche segeln“, sagt Dr. Nourani.
 
Aus diesen Einsichten stellt sich die Frage, inwiefern Zugvögel von den Veränderungen des Klimas betroffen sind. Laut Nourani seien die Studienergebnisse deutliche Hinweise darauf, dass Veränderungen in den Zirkulationsmustern der Erdatmosphäre Auswirkungen auf den globalen Vogelzug, der auf atmosphärische Unterstützung angewiesen ist, haben dürften. Solche internationalen Studien seien wichtig, um im Detail zu untersuchen, wie Zugvögel den Wind nutzen, und um verlässliche Vorhersagen machen zu können, inwiefern sie von den aktuellen Veränderungen durch den Klimawandel betroffen sein werden.

Original paper:
Nourani et al. 2021. The interplay of wind and uplift facilitates over-water flight in facultative soaring birds. Proceedings of the Royal Society B. https://doi.org/10.1098/rspb.2021.1603

 

Carla Avolio

Von Carla Avolio - 08.09.2021