Zellreparatur als Alternative zum Zelltod

Wie entstehen DNA-Schäden, welcher Art sind diese Schäden, wie lassen sie sich experimentell erfassen und wie reagieren Zellen und Organismen auf solche Schäden?

Dies sind die Kernfragen der Forschung von apl. Prof. Dr. Aswin Mangerich, der mit seinen MitarbeiterInnen an der Professur für Molekulare Toxikologie von Alexander Bürkle am Übergang zwischen Toxikologie, Biochemie sowie Krebs- und Altersbiologie forscht und lehrt. Des Weiteren ist er als Mitglied der Beratungskommission der deutschen Gesellschaft für Toxikologie tätig, welche in Fragen, die eine breitere Öffentlichkeit interessieren, Stellungnahmen und andere Veröffentlichungen erarbeitet und in toxikologischen Fragestellungen interessierten Personen und Institutionen beratend zur Verfügung steht.

DNA-Schädigungen können aus ganz unterschiedlichen Gründen auftreten – durch äußere Einflüsse wie Sonnenlicht, Zigarettenrauch oder Schwermetalle ebenso wie durch körpereigene Ursachen (zum Beispiel bestimmte Immunantworten, die zu Entzündungsreaktionen führen). Auch bestimmte medizinische Verfahren, die zur Diagnostik und Therapie eingesetzt werden (beispielsweise Röntgenstrahlung oder eine klassische Chemotherapie; siehe „Zelltod durch Strahlen- und Chemotherapie“), können DNA-Schädigungen hervorrufen und im Extremfall bei Krebspatientinnen und -patienten sogar neue Krebserkrankungen verursachen. Aswin Mangerich untersucht, wie Zellen eine DNA-Schädigung erkennen, wie sie darauf reagieren und wie diese unterschiedlichen Reaktionen zusammenhängen.

„Die Zelle hat verschiedene Möglichkeiten, auf eine Schädigung der DNA zu reagieren“, sagt der Wissenschaftler: „Dazu gehören DNA-Reparatur, zelluläre Seneszenz und Zelltod.“ Wenn eine Reparatur möglich ist, stehen der Zelle dafür verschiedene Mechanismen zur Verfügung. Können die zelleigenen Reparaturmechanismen die Schädigung der DNA nicht bewältigen, greifen die beiden anderen Tumorsuppressionsmechanismen:

„Zelluläre Seneszenz und Zelltod wirken beide der Krebsentstehung entgegen – im ersten Fall, weil die Zelle aufhört, sich zu teilen, also quasi stillgelegt ist, im zweiten Fall, weil sie abstirbt.“

apl. Prof. Dr. Aswin Mangerich

Gleichzeitig können Seneszenz und Zelltod langfristig zur Gewebedegeneration und somit zur Alterung führen. Mangerich und sein Team interessieren sich auch vor diesem Hintergrund für das Zusammenspiel dieser drei Zellantworten auf Schädigung.

Zu den Proteinfamilien, die Mangerich und sein Team in diesem Zusammenhang erforschen, gehören die Poly-ADP-Ribose-Polymerasen (PARP), insbesondere das Enzym PARP1. PARP1 kann an DNA-Strangbrüche binden, die beispielsweise durch Röntgenstrahlung entstehen können, und infolgedessen ein Biopolymer, Poly-ADP-Ribose, bilden. Bei der Poly-ADP-Ribose handelt es sich um ein Signalmolekül für die Zelle, das signalisiert, wenn ein DNA-Schaden aufgetreten ist. Durch die Bildung dieses Biopolymers werden weitere DNA-Reparaturproteine angezogen, die an die Schadensstelle binden, woraufhin PARP sich wieder ablöst, um den anderen Proteinen die Reparatur zu ermöglichen.

2020 gelang es Mangerich und seiner Kollegin Prof. Dr. Karin Hauser vom Fachbereich Chemie der Universität Konstanz, alle an dieser Sequenz beteiligten Vorgänge im Infrarotspektrometer nachzuverfolgen – vorher waren größtenteils nur „Momentaufnahmen“, sogenannte Snapshots möglich gewesen. Einen Link zur Vorgängerstudie und weitere Informationen finden Sie in dem Beitrag „Verborgene Proteinstrukturen sichtbar machen“ oder in der Pressemitteilung zu der Studie.

Weiterlesen: Der Zelltod als Therapieansatz (Kapitel 6 von 10)
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Tullia Giersberg

Von Tullia Giersberg - 03.08.2022

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